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Ohrider glagolitische Blätter

Oxridskie glagoličeskie listki, Oxridskoe Evangelie (R), Evangelium Achridanum (L), Ohrid Folia


Kurzinfo: glagolitisch, 11. Jh., Makedonien, Evangelium


Die Ohrider Blätter wurden von V.I. Grigorovič im Jahre 1845 in der gleichnamigen makedonischen Stadt gefunden; die genaueren Umstände sind jedoch nicht bekannt geworden.

Es handelt sich um zwei zusammenhängede Pergamentblätter (ca. 20 x 17 cm), von denen das erste - bis auf Teile aller drei Ränder - vollständig, das zweite jedoch in der Vertikalen geteilt ist, so daß nur die innere Hälfte vorhanden ist. Die Blätter sind auf Vorder- und Rückseite beschrieben, wobei etliche Buchstaben stark verschmutzt oder schlecht erhalten sind.

Inhalt des Textes sind Lukas 24, der Anfang und weitere Teile des Johannes-Evangeliums.

Als am 1. Mai 1865 die Odessaer Universität eröffnet wurde, vermachte ihr Grigorovič am folgenden Tage 60 kirchenslawische Handschriften aus seiner Sammlung, darunter auch die Ohrider Blätter. Sie wurden dort als Nr. 24 inventarisiert.

Zu den paläographischen Besonderheiten der Ohrider Blätter gehört insbesondere das Fehlen des vorderen nichtjotierten Nasals, was einen gewissen Archaismus darstellt (stattdessen steht immer der jotierte Nasal). Andere Züge dagegen sind jünger. Schon Jagić hatte auf eine gewisse Eckigkeit der Schrift aufmerksam gemacht. Einige Zeilen des Textes zeigen noch ganz deutlich eine oben liegende Grundlinie, also eine hängende Schrift.

Eine altertümliche sprachliche Besonderheit ist u.a. die praktische durchgängige und korrekte Bewahrung der Halbvokale und der Nasalvokale. In bezug auf die Sprache stellt Il'inskij die Ohrider Blätter deshalb auf eine Stufe mit den Kiever Blättern.

Die Erstedition des Ohrider Blätter stammt von I.I. Sreznevskij und befindet sich in seinem Band Drevnie glagoličeskie pamjatniki, SPb. 1866, 76-87. Der Text wird dort glagolitisch und kyrillisch wiedergegeben, ein kurzer Kommentar ergänzt den Text um wichtige sprachliche und paläographische Hinweise. Zusätzlich werden einige wenige Zeilen als Facsimile abgedruckt. Einige wenige editorische Entscheidungen Sreznevskijs galten späteren Forschern als unglücklich.

Seine Zweitedition erfuhr das Denkmal genau 40 Jahre später: N.K. Grunskij, Oxridskoe Evangelie, in: Izv. Otd. Russ. Jaz. i Slov. Imp. Akademii Nauk, t. XI, 1906, 4, 157-164. Diese Edition galt jedoch sogleich als wissenschaftlicher Rückschritt, weil die Reihenfolge der Blätter vertauscht worden war, der Text viele Fehler enthielt usw.

Ein weiterer Nachdruck (auf der Grundlage der Photographie von Grunskij) findet sich in V. Vondrák, Kirchenslawische Chrestomathie, Göttingen 1910, 9-10.

Ihre gültige wissenschaftliche Edition erfuhren die Ohrider Blätter einige Jahre später: G.A. Il'inskij, Oxridskie glagoličeskie listki. Otryvok drevne-cerkovno-slavjanskogo evangelija XI v. Petrograd 1915 (pdf). In dieser Veröffentlichung finden sich ein kyrillischer-griechischer Paralleltext samt Anmerkungen, ausführliche Ausführungen zu Paläographie und Sprache des Denkmals, dazu ein Wortverzeichnis, schließlich auch eine s/w Facsimile-Wiedergabe (daraus die Facsimiles, s.u.).

Wichtige Sekundärliteratur:

L. Geitler, Die albanesischen und slavischen Schriften. Wien 1883, 185 (Facsimile der Seite I und kurzer Kommentar).
V. Jagić, Grafika u Slavjan, in: Ėnciklopedija slavjanskoj filologii, vyp. 3, 132-133.

Links: Facsimiles (Kodeks-Server); Wikipedia

S. Kempgen


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