Ratetscher Handschrift

Rate^ski (Celov^ski) rokopis, Ratetscher (Klagenfurter) Handschrift (D)


Kurzinfo: lateinisch Alphabet (gotische Fraktur), zwischen 1362 und 1390 entstanden in Südösterreich (Ratetsch im oberen Sautal); Sprache slovenisch; Textsorten: 3 Grundgebete (Vaterunser, Gegrüßet seist du Maria und das Apostolische Glaubensbekenntnis)


Nach ihrem Entstehungsort Ratetsch im oberen Sautal "Ratetscher Handschrift", nach ihrem Auffindungs- und Aufbewahrungsort "Klagenfurter Handschrift" genannt, ist diese Sammlung von Grundgebeten das älteste slovenische Sprachdenkmal nach den Freisinger Denkmälern, sie wurde von einem Vikar der Pfarrei Maria na Zilji in Ratetsch nach einer Vorlage angefertigt, die wiederum auf der Grundlage der ursprünglichen Niederschrift eines Oberkrainer Geistlichen aus Krainburg entstanden war.

Archaismen in der sprachlichen Gestalt bezeugen das hohe Alter dieser Texte: Die Handschrift stammt zwar aus dem späten 14. Jahrhundert, der Text des Vaterunsers stammt der hier vorliegenden Form jedoch aus der Zeit gegen Ende des 8. Jh. Dies wird in der Forschung insbesondere durch den Archaismus bogastvu "Reich" belegt: Es handelt sich mit aller Wahrscheinlichkeit um eine Lehrnübersetzung des deutschen Wortes "Reich", während der jüngere Begriff kraljestvo erst mit der Verbreitung des Namens Karls des Großen auftritt (Orel-Poga^cnik 1996, 95). Andererseits kann argumentiert werden, daß zwar aus historischen Gründen der Begriff "kraljestvo" sicher nicht vor Karl d.Gr. verwendet werden konnte, damit aber noch nicht bewiesen ist, daß nicht das Wort "bogastvo" nicht auch noch in jüngeren Texten vorkommen könnte (zumal in der stark konservierenden Textsorte "Gebet"). -- Auch das Glaubensbekenntnis enthält archaische Formen (die Aoriste ide, vsta).

Das Gegrüßet seist du Maria ist deutlich jünger, es stammt in dieser Form aus dem 12. Jahrhundert, es enthält mehrere Germanismen (^zegnana, gnade). Das supradialektale Slovenisch oberkrainisch-kärntnerischen Typs verfügt über eine oberkrainische Dialektbasis (e für aksl. ê: grehov; o für ô: gospod; -u für -o: posve^cenu; a für betonten Halbvokal: dan; ^s für ^s^c: odpu^samo; -iga gegenüber -ega im Kärntner Dialekt: svetiga; jast für jaz), bestimmte Eigenheiten des Kärntner Dialekts (die Konsonantengruppe ^s^c ist erhalten: ^ce^s^cena, odpu^s^cenje; der Übergang -m > -n na^sen gegenüber nam; -eh, -em statt -ih, -im: martveh "mrtvih", na^sen "na^sim") sowie vereinzelte unterkrainische Merkmale oder oberkrainische in archaischer Lautgestalt (ej für e : sejde, im Originaltext seydi). Diese Einflüsse könnten dadurch erklärt werden, daß Freisinger Untertanen von Unterkrain in diese Gegend umgesiedelt worden waren. Sprachliche, stilistische und inhaltliche Ähnlichkeiten der Ratetscher Handschrift mit der etwa ein Jahrhundert jüngeren Handschrift von Castelmonte (Stara Gora) legen nahe, daß eine gemeinsame Vorlage benutzt wurde.

Die Ratetscher Handschrift wurde im Jahre 1880 von Mitgliedern der Kärntner Historischen Gesellschaft in Klagenfurt entdeckt, im Klagenfurter Kres 1881 von G. Krek als Faksimileabdruck mit einer sprachwissenschaftlichen Abhandlung veröffentlicht. I. Grafenauer beschäftigte sich 1958 mit Zeit, Ort und Umständen ihrer Entstehung auf der Grundlage der damals neuesten historiographischen Erkenntnisse (M. Miklav^ci^c) und Quellen (4 Urkunden des Bischofs S. Lamberg), dialektologischer Untersuchungen (T. Logar), paläographischer Analysen (M. Kos) sowie Besonderheiten in Sprache und Handschrift. Das Original der Handschrift wird heute im Archiv der Kärntner Historiographischen Gesellschaft in Klagenfurt (Arhiv Koro^skega zgodovinskega dru^stva v Celovcu) aufbewahrt (Signatur: 6/24).

Literatur:

Grafenauer, I.: Celov^ski rokopis iz Rate^c. RSAZU 2, razred 3, 1958, 5-61. Neudruck in: Literarno-zgodovinski spisi, Ljubljana 1980.
Grafenauer, I.: Poglavje iz najstarej^sega slovenskega pismenstva. CJZK 8, 1931, 68-102.
Krek, G.: O novoslovenskem rokopisu zgodovinskega dru^stva koro^skega. in: Kres 1, Clc 1881, 173-190.
Orel-Poga^cnik, I.: Rate^ski rokopis. in: Enciklopedija Slovenije, Ljubljana 1996, 95.
Topori^si^c, J.: Rate^ski rokopis, in: Enciklopedija slovenskega jezika. Ljubljana 1992, 242.
Topori^si^c, J.: Rate^ski rokopis, in: Slovenska zvrstna besedila. Ljubljana 1981, 405-6 (Faksimile und Text).


 

Text der Ratetscher Handschrift

(nach: Topori^si^c 1981, 406)

Erklärung zur Codierung: S = geschweiftes s

I.
OtScha naSs kyr Sy wnebeSSich
poSwetSchenu body twoye yme
pridi bogaStwu twoye
body wola twoya
kakor wnebeSSich yno naSemly.
Kruch naSs wSedanny day nam dannaSs
yno odpuSti nam dalge naSSe
kakor yno my odpuSSchamo naSSen dal(S)nykom
yno naSs ne wuppellay wednero ySSkuSbo
le naSs reSSy odSlega amen.

II.
CzeStSchena Sy maria gnade pallna
goSpod Stabo Segnana Sy mey Senamy
ynu Segnan ye Sad twoyga teleSSa ihs kps amen.

III.
JaSt veruyo wu boga otScho wSemogotSchiga
Stwarnika nebeSs yno Semlee
yno wu iheSuSSa criStuSSa
nega Sinu edyniga naSSiga goSspodi
kyr ye poczett od Swetiga ducha,
royen ys divittcze marie,
Martran pod poncio pylatuSSem
na kriz raSSpet mrtraw yno wu grab poloSen
dolu yide kchpaklu
na trettyi dan gori wstaa od martwech.
Gory yiede wnebeSSa
Seydi kchdeSniittczy boga otSche wSemogotSchega
od tody kch iyma priti Sodyti Sywe ynomartwe.
JaSt ueruyo wuSwetiga ducha
Swetiga karSchanStwu
obtSchyno Swettkow
odpuStSchenye grechow
wStanye ziwota yno uethSchny leben amen.

 


Eine Seite aus der Ratetscher Handschrift (Rate^ski rokopis)


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 Erstellt 19. Februar 1998